Haushaltspolitikerin Patrica Lips (CDU) im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“

Bundestag
Bundestag

Die CDU-Haushaltspolitikerin Patrica Lips (CDU) hat sich angesichts der Diskussion um die Kosten des in Berlin geplanten „Museums des 20. Jahrhunderts“ hinter das Vorhaben gestellt. „Es haben sich viele von uns schwer getan. Aber irgendwann muss man springen und sagen: Wir gehen jetzt diesen Weg“, sagte Lips in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 2. Dezember 2019). Die Berichterstatterin ihrer Fraktion für den Kultur-Etat verwies in diesem Zusammenhang auf einen Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses, „um alle halbe Jahr aktiv über die Kostenentwicklung informiert zu werden“.

Der Spatenstich für das Museum am Berliner Kulturforum soll am Dienstag, 3. Dezember, erfolgen. Im Bundeshaushalt 2020 sind die Kosten für das Projekt im Etat von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) mit 364,2 Millionen Euro angegeben. Die Bundesregierung hatte zudem mitgeteilt, dass außerdem 52,2 Millionen Euro für künftige Bau-Indexsteigerungen und 33,8 Millionen Euro Risikokosten hinzugerechnet werden können, so dass sich die Gesamtsumme dann auf 450,2 Millionen Euro beliefe. Ursprünglich hatte der Bundestag 2014 200 Millionen Euro für den Bau avisiert.

Bezogen auf den Kultur-Etat für das kommende Jahr lobte Lips grundsätzlich die „unglaubliche Vielfalt“. Im kommenden Jahr würden viele Mittel für Projekte zur Demokratiegeschichte sowie zur Erinnerungskultur zur Verfügung gestellt. Die Christdemokratin betonte zudem, dass der Kultur-Etat in die Fläche gehe. „Wenn irgendwo ein markantes Schloss oder eine größere Klosteranlage steht, dann hat das für die Region historisch eine wichtige Rolle gespielt, wirtschaftlich vielleicht sogar bis heute, und ist identitätsstiftend. An solchen Leuchtturmprojekten deutlich zu machen, welche Vielfalt es im Land gibt, ist mir wichtig“, sagte Lips.

Das Interview im Wortlaut:

Frau Lips, Sie sind Berichterstatterin Ihrer Fraktion für den Kultur-Etat, der im kommenden Jahr fast zwei Milliarden Euro betragen wird. Welche Bedeutung hat für Sie die Bundes-Kulturförderung?
 
Die Kulturförderung hat für mich eine ganz große Bedeutung. Denn Kultur – ganz allgemein verstanden, beispielsweise Theater, Musik oder Kino – verbindet Menschen. Aber auch das bauliche Erbe und Hinterlassenschaften sind ein großer Ausdruck von Kultur. Dazu gehören Museen, aber auch Klöster, Schlösser, Burgen und vieles mehr. Wenn diese eine herausragende und überregionale Bedeutung haben, dann bin sehr dafür, dass der Bund unterstützt. Es ist immer eine Kooperation, der Bund zahlt ja nie allein.

Worüber freuen Sie sich am meisten in dem just beschlossenen Kultur-Etat?
 
Ganz grundsätzlich über die unglaubliche Vielfalt. Im kommenden Jahr werden wir darüber hinaus sehr viele Mittel für Projekte zur Demokratiegeschichte sowie zur Erinnerungskultur geben. Die Paulskirche und das Nationaltheater in Weimar werden unterstützt. Gefördert werden anlässlich von 30 Jahren Wiedervereinigung auch zwei Gedenkstätten an ehemaligen Grenzanlagen zwischen Hessen und Thüringen. Wir werden weitere Schritte machen beim Thema Gedenken an die Opfer kommunistischer Gewalt. Die Stiftung Aufarbeitung bekommt eine Million Euro zusätzlich. Es sind außerdem erste Pflöcke für ein Mahnmal für die Opfer sowie für einen Campus der Demokratie auf dem ehemaligen Stasi-Gelände in Berlin-Lichtenberg eingeschlagen. Unterstützt wird auch die Erinnerung an die schrecklichste Zeit unserer Geschichte: Beispielsweise werden Mittel für die Gedenkstätte Hadamar in Hessen, eine ehemalige Euthanasie-Einrichtung der Nazis, die dringend saniert werden muss, bereitgestellt.

In der Debatte vergangenen Woche kam es zu einem Eklat. Der AfD-Abgeordnete Martin Renner sprach von „Krematoriumsasche“, die über diesem Haushaltskapitel liege. Johannes Kahrs (SPD) griff die AfD daraufhin massiv an.
 
Das hat Johannes Kahrs zu Recht explodieren lassen. Unsere Kulturpolitik gleichzusetzen mit Krematoriumsasche, gerade wenn wir die Erinnerungsorte wie Hadamar, Neuengamme oder Buchenwald fördern, da fehlen mir die Worte. Es ist entsetzlich, welcher Sprachgebrauch sich inzwischen breit gemacht hat. Vor Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, so etwas auch nur im Ansatz zu formulieren. Das ist mehr als makaber.

Der Kulturförderung des Bundes wird immer wieder vorgehalten, vor allem die Hauptstadt Berlin im Fokus zu haben. Trügt dieser Eindruck?
 
Ich sehe das komplett anders. Natürlich ist Berlin eine Metropole, die Touristen strömen in die Stadt. Darum muss ein großer Anteil in die Hauptstadt fließen, es gibt eine solche Erwartungshaltung und es gibt den Hauptstadtfinanzierungsvertrag, der dem Bund auch die Zuständigkeit mit zuweist. Aber als Koalition haben wir uns nicht nur im Kultur-Etat auf die Fahne geschrieben, den ländlichen Raum zu fördern. Das Förderprogramm für Kinos auf dem Land mit seinen 17 Millionen Euro findet beispielsweise reißenden Absatz. Gerade mit den baulichen Titeln investieren wir Millionensummen in den nächsten Jahren in die Fläche. Wenn irgendwo ein markantes Schloss oder eine größere Klosteranlage steht, dann hat das für die Region historisch eine wichtige Rolle gespielt, wirtschaftlich vielleicht sogar bis heute, und ist identitätsstiftend. An solchen Leuchtturmprojekten deutlich zu machen, welche Vielfalt es im Land gibt, ist mir wichtig. Und mit dem Denkmalschutz-Sonderprogramm gehen wir zusätzlich ganz tief in den ländlichen Raum.

Für das Programm sind im nächsten Jahr erneut 30 Millionen Euro eingestellt. Wie sind die Reaktionen vor Ort?
 
Großartig! Hinter den geförderten Projekten stehen meist Ehrenamtliche, die sich zum Beispiel dafür einsetzen, eine alte Orgel zu restaurieren oder das Kirchendach. Die machen das mit so viel Herzblut und freuen sich über vergleichsweise geringe Beträge. Wir reden in dem Programm von Zuschüssen von 50.000, 100.000 oder auch mal 300.000 Euro und über 200 Projekte. Nun ist der Bund nicht für einzelne Kirchen auf dem Land zuständig, aber der Bund steht jenseits des Einzelobjekts in der Gesamtheit in der Verantwortung, beim Denkmalschutz zu helfen.

Beim Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin steht der Spatenstich am Dienstag an, das Projekt wird deutlich teurer als geplant. Woran liegt das?
 
Vieles macht die Kommunikation aus. Wenn vor Jahren gesagt wurde, dass das Museum 200 Millionen Euro kostet und jetzt kommt man mit über 360 Millionen Euro um die Ecke, dann muss das diskutiert werden. Die ursprüngliche Kostenangabe für das Museum liegt schon einige Jahre zurück und dann war lange Pause. Inzwischen ist alles teurer geworden. Ein weiteres Problem dabei ist, dass wir Kosten haushaltswahr und -klar einstellen. Es wird genau das aufgeschrieben, was zum heutigen Tag bekannt ist, selbst wenn wir spüren, dass es mehr werden könnte. Im Haushalt stehen nun 364 Millionen und nicht die 450 Millionen Euro, die unter Berücksichtigung aller Risiken noch eintreten könnten. Wir haben in diesem Fall mit Unterstützung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) einen Maßgabebeschluss gefasst, um alle halbe Jahr aktiv über die Kostenentwicklung informiert zu werden. Es haben sich viele von uns schwer getan. Aber irgendwann muss man springen und sagen: Wir gehen jetzt diesen Weg.

Gab es Zweifel am Sinn des Projektes?
 
Es bestreitet keine Fraktion, dass diese Einrichtung gebraucht wird. Wir können aktuell nicht die Werke zeigen, die wir haben. Das Problem liegt in den Kosten, da gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich kenne auch in der Kulturszenen niemanden, der die Notwendigkeit bestreitet. Natürlich lässt sich über die Gestaltung streiten, das ist Geschmackssache. Ich bin mir sicher, dass das Museum seinen „Spitznamen“ bekommen wird. Die Berliner neigen ja dazu.

Stellt sich mit dem wachsenden Etat nicht auch die Frage nach einem Bundeskulturministerium?
 
Nein, das ist im Kanzleramt gut angesiedelt. Die Kulturhoheit – und das Signal sollte man auch setzen – liegt bei den Ländern, darauf legen sie auch großen Wert. Der Bund hilft nun vermehrt, aber achtet immer noch darauf, dass es Leuchtturm-Projekte sind. Es ist wichtig, niemanden aus der Gesamtverantwortung zu entlassen.

Zum Schluss noch eine Frage zum Haushalt allgemein: Die „Schwarze Null“ wird inzwischen auch vom Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Verbänden in Zweifel gezogen. Warum hält die Union daran fest?
 
Ich vermeide den Begriff „Schwarze Null“. Aber ein ausgeglichener Haushalt, also nicht mehr auszugeben als man einnimmt, das versteht auch jeder auf der Straße. Zweitens: Mit welcher Legitimation könnten wir auch künftig von anderen Ländern Europas verlangen, die Stabilitätskriterien einzuhalten, wenn das wirtschaftlich stärkste Land Europas nicht ohne Schulden auskommt? Nächstes Jahr werden wir selbst das erste Mal nach 16, 17 Jahren die Maastricht-Kriterien einhalten. Und drittens haben wir kein Investitions-, sondern ein Umsetzungs- und Abrufungsproblem. Es ist ziemlich wohlfeil, ständig nach Investitionen zu rufen, wenn die vorhandenen Mittel gar nicht abgerufen werden beziehungsweise abgerufen und verbaut werden können, weil beispielsweise Planer fehlen.

Deutscher Bundestag
Pressestelle

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert