Gastbeiträge. Vom Umgang mit Corona in Deutschland – 2 Praxisbeispiele

GASTBEITRÄGE

Beispiel 1
Alle Welt meint, Deutschland hätte die Corona-Krise ganz gut gemeistert. Unsere Zahlen sind gut – wenn auch nur im Vergleich mit Ländern mit noch schlechteren Zahlen. Wir haben keinen Präsidenten, der die Gefahren leugnet oder zur oralen Einnahme von Desinfektionsmitteln auffordert, unsere Führungen arbeiten mit den Wissenschaftlern zusammen und haben die Sache im Griff.

Ist das wirklich so?
Ein Gedankenspiel: Stellen sie sich vor, sie haben ein noch nicht volljähriges Kind, dass in den letzten Jahren immer an der französischen Küste surfen war und sich auch schon für 2020 zu einem 2-wöchigen Surfcamp angemeldet hat. Lange Zeit Unklarheit, ob das im Corona-Sommer noch möglich ist, die Zahlen wurden besser, ach komm, wird schon, ab geht’s im Reisebus mit 50 anderen Surffans 16 Stunden nach Frankreich. Am Wochenende mit der gleichen Truppe wieder 16 Stunden auf engsten Raum meist mit Maske unterwegs, die Corona-Zahlen sind mittlerweile schlechter und in einer Woche geht die Schule wieder los mit vollbesetzten Schulbussen und Klassenzimmern. Besser mal Abstand halten und erst mal einen Corona-Test machen. Sollte ja nicht so schwierig sein.

Hausarzt angerufen (erste Hürde: erreichen sie einen Hausarzt mal telefonisch…), patzige Antwort erhalten: machen wir nicht. Gibt’s da nicht eine bundesweite Hotline 116 117? Ja, die gibt es, aber die kann schon mal über Stunden nicht erreichbar sein – oder auch gar nicht. Okay, Nummer des Kreisgesundheitsamts raussuchen, anrufen. „Für die Tests sind wir nicht zuständig und können hier auch nicht weiterhelfen. Fragen sie da doch ihren Hausarzt. Sollte der Test positiv sein, müssen Sie sich aber unbedingt bei uns melden, damit wir die Quarantäne anordnen können.“ Bürokratie in Deutschland, war ja nicht anders zu erwarten. Aber gibt es nicht Testzentren an den Flughäfen? Flughafen Frankfurt angerufen, Sachlage Reiserückkehr erklärt: „Wir testen nur Rückkehrer aus Risikogebieten. Frankreich ist laut Auswärtigem Amt kein Risikogebiet.“ Häh? Frankreich hatte in der letzten Woche im Schnitt über 2000 Neuinfektionen und damit deutlich mehr als z.B. die sogenannten Risikogebiete Marokko, Algerien und Ägypten zusammen oder auch deutlich mehr als die Türkei!

Eine weitere Rödermärker Arztpraxis angerufen: ja, wir führen Tests durch, aber nur für unsere Patienten. Ihr Sohn ist nicht unser Patient. Immerhin den Hinweis erhalten, bei der Gemeinschaftspraxis zu probieren. Diese möchte ich hier namentlich erwähnen, weil man hier tatsächlich schnell jemanden ans Telefon bekommen hat und dort in der Tat jeder einen Corona-Test machen kann. Termin leider erst in 2 Tagen, also 2 Tage freiwillige Quarantäne für den jugendlichen Reiserückkehrer.

Sie glauben, so etwas könnte in Deutschland nicht vorkommen? Wir haben doch alles im Griff! Seien Sie sich da nicht so sicher! Es stellt sich bei dem Gedankenspiel die Frage, ob jetzt jeder Reiserückkehrer, der seine Umgebung schützen will, die Zeit und Geduld des Probanden (fiktiv oder echt – wer weiß…) aufbringt, um sich testen zu lassen, oder ob nicht doch die Mehrheit es nach ein paar Stunden entnervt aufgibt und sich nicht testen lässt. Wenn wir das Virus wirklich besiegen wollen, muss hier einiges deutlich besser werden.


Beispiel 2
Die Corona-Pandemie hat die Industrieländer inklusive Deutschland kalt erwischt. War ja auch überhaupt nicht abzusehen, dass irgendwann einmal ein Virus sich weltweit verbreitet. Wozu braucht man Vorräte, wenn man das im Fall der Fälle benötigte Material jederzeit in China ordern kann. Alibaba Express liefert innerhalb von 14 Tagen. Wenn uns die Pandemie eins gezeigt hat, dann dies, dass globale Handelsketten in einer Krise rasend schnell zusammenbrechen können, dass sich Produzent und Herstellerland immer am nächsten stehen, dass es daher auf jeden Fall sinnvoll ist, wenn die Produktion systemrelevanter Produkte auch im eigenen Land oder in unserem Fall zumindest in der EU stattfindet. Fakt ist, die Chinesen haben ihre Produktion für sich selbst gebraucht bzw. konnten aufgrund des Lockdowns gar nicht produzieren und wir haben plötzlich viel zu wenig Masken, OP-Kleidung, Beatmungsgeräte, Medikamente. Die Politik und die Globalisierung haben versagt.

Bleiben wir beim Beispiel Masken. Was macht ein Land wie Deutschland, wenn China nicht mehr liefern kann? Wir machen unsere Masken selbst! Plötzlich sitzen Hunderttausende an ihren Nähmaschinen und fangen an aus Stoffresten Masken zu nähen. Unsere verbliebene Textilindustrie reagiert blitzschnell und stellt die Produktion um. Jede freie Kapazität wird genutzt, über 1.000 Unternehmen machen mit. Neue Kapazitäten werden aufgebaut. Die beiden Weltmarktführer für Vliesstoffmaschinen für Maskenvliesstoffe kommen aus Deutschland, beide haben ihre Produktion maximiert und ihre Lieferzeiten drastisch auf 3 Monate reduziert. Pilotanlagen in Instituten und Firmentechnikums werden auf Produktion gestellt. Deutsche Unternehmen investieren Millionen (die anderen Europäer übrigens auch), um dauerhaft die europäischen Märkte mit qualitativ hochwertigen Produkten beliefern zu können. Die deutsche/europäische Textilindustrie hat es innerhalb von nur 4 Monaten hinbekommen, eine eigene Produktion aufzubauen und sich nahezu unabhängig von Importen zu machen. Super Leistung!

Und damit kommen wir auch schon zum Problem: Ja, die Produktion qualitativ hochwertiger Masken und Schutzkleidung ist in Europa etwas teurer als in China. Der Unterschied ist nicht riesig, weil es sich um hochautomatisierte Produktionen handelt, aber doch spürbar bei großen Stückzahlen. Auch in China wurde kräftig investiert und China kann wieder den Weltmarkt beliefern. Und was machen unsere Behörden, unsere Gesundheitsämter, unsere Ministerien? Die Leute, die nach heimischer Produktion geschrien haben? Sie werden es nicht glauben, aber sie gehen sparsam mit unseren Steuergeldern um: sie ordern tonnenweise Waren aus China! Aufgrund der europäischen Vergaberichtlinien und dem Sparzwang seien sie gezwungen … bla, bla, blubb!

Der Mensch mag lernfähig sein und aus Fehlern lernen können, die deutsche Bürokratie ist es nicht! So sehr ich den aktuellen amerikanischen Präsidenten auch verachte – so etwas würde es in den USA nie geben!



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3 Replies to “Gastbeiträge. Vom Umgang mit Corona in Deutschland – 2 Praxisbeispiele”

  1. „[…] zur oralen Einnahme von Desinfektionsmitteln auffordert […]“

    Hydroxychloroquine ist kein Desinfektionsmittel.

    „Hydroxychloroquin ist ein zu Chloroquin analoger Arzneistoff zur oralen Therapie der rheumatoiden Arthritis und von Kollagenosen wie dem systemischen Lupus erythematodes sowie zur Behandlung von und Vorbeugung vor Malaria tropica.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Hydroxychloroquin

    Im Unterabschnitt zur Anwendung von Hydroxychloroquine gegen SARS-CoV-2 liest man heraus, dass die Forschung die Einnahme von HCQ nicht kategorial ablehnt, sondern die Einnahme in bestimmten Fällen zu Ergebnissen geführt hat, die die Einnahme nicht befürworten lassen, und in anderen bestimmten Fällen zu Ergebnissen geführt hat, die die Einnahme befürworten.

  2. Danke für den Link, Waldackerer. Hatte ich gar nicht mitbekommen. Trumps Vorschläge haben’s ja nicht weit gebracht.

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